Die Bedeutung der Forschungsfrage für eine gelungene Abschlussarbeit kannst du kaum überschätzen.

Dabei spielt es keine Rolle, ob du vor deiner Bachelor- oder deiner Masterarbeit stehst: Denn in beiden Fällen steht und fällt dein Forschungsvorhaben mit deiner wissenschaftlichen Frage – du solltest hier also besondere Sorgfalt walten lassen!

Dieser Ratgeber gibt dir wichtige Hinweise, Strategien und Hintergrundinformationen zu diesem wichtigen Thema an die Hand.



Was ist eine Forschungsfrage?

Deine Forschungsfrage ist diejenige Frage, welche du im Rahmen deiner Abschlussarbeit beantworten möchtest. Jedes Wort, das du schreibst, ist diesem Ziel gewidmet.

Die Forschungsfrage konstituiert die Existenzberechtigung deiner Abschlussarbeit und ist ausschlaggebend für die spätere Benotung. Denn sie legt neben der inhaltlichen Richtung deiner Forschung auch fest, wie du deine Argumentation aufbaust, welches Material du zu Rate ziehst und welche Daten du benötigst. Daher solltest du sie so stringent und präzise wie möglich formulieren. Vage Fragestellungen programmieren schlechte Arbeiten vor.


Was ist der Unterschied zwischen Forschungsfrage & Titel?

Viele Studierende sind sich nicht im Klaren darüber, dass Forschungsfrage und Titel zwei grundverschiedene Dinge sind, die du auf keinen Fall vermischen darfst! Beide erfüllen höchst unterschiedliche Funktionen.

Der Titel deiner Arbeit soll ihren wissenschaftlichen Inhalt so gut wie möglich zusammenfassen und bei potenziellen Leserkreisen Interesse wecken. Bisweilen besteht der Titel einer Publikation aus einer Frage, aber dabei muss es sich nicht um die Leitfrage der Forschung handeln.

Die Forschungsfrage präzisiert dein wissenschaftliches Erkenntnisinteresse. Sie muss sowohl inhaltlich als auch methodologisch exzellent begründet sein und sollte so wenig Interpretationsspielraum wie möglich lassen. Sie ist der Nordstern deiner Bemühungen.

Titel hingegen dürfen doppeldeutig sein, mithin auf Ambivalenzen oder Paradoxien verweisen oder verdeckte Aspekte eines Themas artikulieren. Die Leitfrage richtet sich jedoch darauf, systematisch Wahrheit bzw. wissenschaftliche Erkenntnis zu erzeugen. Sie enthält daher keine Informationen über die Forschungsergebnisse deiner Abschlussarbeit.

Der Titel aber kann diese durchaus andeuten oder vorwegnehmen.


Wie sieht eine Forschungsfrage aus?

Eine Forschungsfrage ist eine knapp und präzise formulierte Frage, deren Beantwortung der wissenschaftlichen Forschung bedarf. Sie unterscheidet sich also stark von Alltagsfragen u. ä., sondern kündet immer schon von theoretischem Hintergrundwissen.

Gute wissenschaftliche Fragestellungen kannst du daher als Laie meistens gar nicht finden. Stattdessen musst du dir durch dein Studium einen hinreichenden Kenntnisstand erarbeiten, welcher es dir erlaubt, spezifische Beobachterperspektiven einzunehmen. Erst dann bist du in der Lage, relevante wissenschaftliche Probleme überhaupt zu sehen und klar zu umreißen. Wissenschaftliche Leitfragen können deshalb manchmal sogar kontraintuitiv sein, weil sie eben nicht primär Oberflächenphänomene, sondern tieferliegende Probleme adressieren.

Ein weiteres Merkmal besteht darin, dass sie meistens einen sehr engen Fokus vorgeben. Je präziser und konkreter deine Fragestellung ist, desto reichhaltiger wird deine Forschung ausfallen. Große Fragen, z. B. „Wie funktioniert die Europäische Union?“ sind forschungstechnisch wertlos. Stattdessen solltest du dir einen Teilaspekt heraussuchen, also, um bezogen auf die EU beispielsweise fragen „Wie funktioniert die themenspezifische Kommunikation zwischen Europäischem Parlament (EP) und Europäischer Kommission im Hinblick auf sekundärrechtliche Gesetzgebungsverfahren?“.


Falsche Forschungsfrage: Wie funktioniert die Europäische Union?


Richtige Forschungsfrage: Wie funktioniert die themenspezifische Kommunikation zwischen Europäischem Parlament (EP) und Europäischer Kommission im Hinblick auf sekundärrechtliche Gesetzgebungsverfahren?


Wie formuliere ich meine Forschungsfrage?

Eine Forschungsfrage gekonnt zu formulieren ist ein Unterfangen, das dir ein erhebliches Maß rhetorischen Geschicks und theoretischer Expertise abverlangt. Eine bewährte Strategie zu einer ersten Annäherung besteht in dem Versuch, dein gesamtes Forschungsvorhaben in einer Frage zu formulieren.

Dabei wirst du sofort feststellen, ob dir dein eigenes Vorhaben wirklich klar ist, oder du bisher noch nicht über allzu präzise Vorstellungen hinsichtlich deiner Abschlussarbeit verfügst. Ohne diese Sicherheit solltest du nicht zu weiteren Arbeitsschritten übergehen, weil dann dein Fundament marode ist.

Alle folgenreichen Arbeitsentscheidungen, also etwa Gliederung, Literaturauswahl, Inhalt und Forschungsdesign hängen von deiner Fragestellung ab. Du solltest sie daher in einer Weise formulieren, welche sich zweifelsfrei von bereits existierenden Publikationen zum Thema abhebt und damit einen wissenschaftlichen Mehrwert verheißt.

In der Regel empfiehlt es sich zudem, die als „W – Frage“ (also Wie? / Warum? / Was? etc.) zu formulieren. Außerdem muss sie den formalen wissenschaftlichen Standards genügen, also ggf. Fachtermini beinhalten und allgemein in wissenschaftsgehobenen Sprache verfasst werden.


Welche Unterschiede gibt es bei Forschungsfrage?

Selbstverständlich muss deine Ausgangsfrage auch dein Forschungsdesign reflektieren. So eignen sich für verschiedene Erkenntnisinteressen nicht alle Fragetypen gleichermaßen.

  • Strebst du eine deskriptive Forschung an, so sollte die Frage auf Problembeschreibungen abzielen.
  • Hast du hingegen eine vergleichende Studie im Sinn, dann muss deine Fragestellung komparatistischer Natur sein.
  • Im Falle einer definierenden Forschung geht es hingegen darum, nach der Einordnung eines Aspektes in größere Zusammenhänge zu fragen.
  • Wenn dich dein Thema in Richtung einer evaluativen bzw. normativen Forschung treibt, dann musst du darauf achten, dass du auch tatsächlich nach Werten fragst.
  • Davon unterschieden ist die explorative Forschung, welche ihr Augenmerk auf Ursachen eines Problems oder Sachverhaltes richtet.
  • Besonders aufpassen musst du in der Frageformulierung für eine prädikative Forschung, welche prognostischen Charakter hat. Deine Frage sollte hier naturgemäß zukunftsorientiert sein, ohne jedoch die Grenzen des wissenschaftlich Machbaren zu sprengen.
  • Ähnlich kompliziert kann sich das Ausformulieren einer gezielten Fragestellung für planende, problemlösende oder beratende Forschungsdesigns gestalten, denn auch hier musst du den Spagat zwischen Ambition und Durchführbarkeit finden.
  • Zu guter Letzt gibt es noch testende Forschungen, bei denen du nach Messergebnissen und Effekten fragen musst.

Wo muss die Forschungsfrage stehen?

Deine Forschungsfrage gibt die Vorgehensweise und den Inhalt deiner Bachelor- oder Masterarbeit vor. Demgemäß sollte sie deinen Lesern natürlich am Anfang deiner Abschlussarbeit präsentiert werden.

Es entspricht dem wissenschaftlichen Standard, die Forschungsfrage in die Einleitung einzuflechten. Vergiss dabei nicht, dass du deine Forschungsfrage in mehrfacher Hinsicht ausgezeichnet begründen musst. Erstens gilt es, die inhaltliche Relevanz deiner Frage herauszustellen. Sodann musst du plausibel aufzeigen, wie du die Frage eigentlich beantworten möchtest. Daran schließen sich Reflexionen über die Verortung deiner Frage bzw. Arbeit innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses, welche den Neuheitswert deiner Abschlussarbeit herausstellen.

Nach der Lektüre der Einleitung sollte jedem Leser klar sein, was du warum erfragst, wie du es herausfindest und an welche Forschungsergebnisse du damit anschließt.


Gute & schlechte Formulierungen

Um die Bandbreite an theoretischen Informationen über die korrekte Konstruktion einer Frageformulierung etwas verdaulicher zu gestalten, sollst du nun einige Beispiele zu gut und schlecht formulierten Fragen erhalten. Nutze diese, um zu überprüfen, was du hier gelernt hast! Du solltest nach der Lektüre dieses Ratgebers in der Lage sein, eigenständig zu entscheiden, wieso de Beispielfragen gut oder schlecht sind.


Erstes Beispiel: Parteienforschung

Nicht gelungen: „Woran liegt der Niedergang der Sozialdemokratie in Deutschland?“

Diese Frage ist viel zu allgemein gehalten! Sie bietet keine konkreten Anhaltspunkte, wo du mit der Beantwortung ansetzen könntest und ist lässt sich damit nicht zielführend bearbeiten.

Gelungen: „Hat das Erbe der Agenda 2010 zu einem Vertrauensverlust der SPD bei ihren Stammwählern geführt?“

Diese Frage verweist auf einen spezifischen Aspekt (Agenda 2010), den sie gleichzeitig als kausale Zuschreibeeinheit für deine abhängige Variable (den Niedergang der Sozialdemokratie in Deutschland) ausweist. Dir sollte auffallen, dass du es hier mit einer explorativen Forschung zu tun hast und sich die Frage daher auf Ursachenforschung richtet.


Zweites Beispiel: Bankenkrise

Nicht gelungen: „Welche Effekte hatte die Banken- und Staatsschuldenkrise 2008 auf die deutsche Wirtschaft?“

Auch hier ist die Frage viel zu umfassend gestellt: Nicht auf 1000 Seiten könntest du sie erschöpfend beantworten. Außerdem sind hier in Wirklichkeit zwei Fragen gestellt, weil die Finanzkrise und die Staatsschuldenkrise zwei unterschiedliche unabhängige Variablen darstellen. Es wäre wahrscheinlich klug, sich auf eine der beiden Krisen zu beschränken.

Gelungen: „Welche Effekte zeitigte die Bankenkrise des Jahres 2008 auf den mittelständigen Industriesektor Deutschlands?“

Diese Frage ist, sowohl was die abhängige als auch was die unabhängige Variable betrifft, deutlich präziser. Es handelt sich um ein primär deskriptives Forschungsdesign – ein Umstand, dem die Fragestellung Rechnung trägt.


Fazit: Was du unbedingt beachten musst!

Forschungsfragen zu formulieren ist kein leichtes Unterfangen! Du benötigst eine Menge an inhaltlichem bzw. problembezogenem, an theoretischem sowie an methodologischem Wissen, um dieser Aufgabe gerecht zu werden.

Bedenke immer, dass die Forschungsfrage der Grundstein deiner Abschlussarbeit ist und deshalb absolut perfekt ausgestaltet sein sollte. Hüte dich also davor, schnelle und unbedachte Entscheidungen zu treffen und deine Arbeit schon zu ruinieren, bevor du sie schreibst! Befolge stattdessen gewissenhaft die Hinweise dieses Ratgebertextes, um deinem Studienerfolg einen großen Schritt näher zu kommen!